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Joachim Angerer (1934 – 2019) und seine Bildersammlung

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Joachim Angerer hat das Waldviertel ab den 1970er Jahren verändert, indem er im Kloster Geras viele Kunst-Aktivitäten „befeuerte“, Arbeitsplätze schuf und vielen Menschen eine „geistige Heimat“ gab. Bekannt als Abt des Stiftes Geras von 1986 – 2004, zuvor Provisor und Waldmeister unter Abt Otto Karasek, nach seinem Übertritt von den Benediktinern zu den Prämonstratensern 1969 und der Übernahme der Pfarre Eibenstein ab 1963, wurde nach einem abgebrochenen Studium am Mozarteum (Orgel und Kapellmeisterei) in Rom Dr. theol. und in Würzburg Dr. phil., war Universitätsdozent und ao. Prof. für Musikwissenschaften an der Universität Wien, später Präsident von GlobArt. Angerer war mit Kardinal Franz König, Heinz Nussbaumer, dem Landehauptmann von NÖ, Siegfried Ludwig, den Archäologen Ambros Josef Pfiffig und Jürgen Borchhardt, sowie mit Hermann Nitsch und Ernesto Cardenal befreundet und bis zuletzt Anhänger des II. Vatikanischen Konzils von Papst Johannes XXIII., für dessen Beginn er in San Paolo fuori le Mura die Orgel spielte. Mit den Rückschlägen in der Modernisierung der katholischen Kirche konnte er sich nie anfreunden und hat darüber mehrere Bücher verfasst. Er galt als „Kirchenrebell“.

Er traf als Gründer des Kunst- und Bildungszentrums Stift Geras, spätere Sommerakademie mit Kursen für bildende Kunst, Keramik, Restaurierung, aber auch Musik, auf zahlreiche bekannte Künstlerinnen und Künstler, die ihm Werke überließen, die nun in der Spätsommerausstellung in der Galerie Kopriva in Krems zum Verkauf stehen. Sein Erbe befindet sich vor allem in den Archiven des Landes NÖ sowie im Kloster Geras untergebracht, die privaten Kunstwerke sind jedoch im Besitz seiner Familie, (vertreten durch den ältesten Neffen, Dipl. Kfm. Fridolin Angerer), die den Großteil des Erlöses dem Künstler-(Alters-)heim in Baden übergeben möchte, in dem Joachim Angerer die letzten zwei Jahre seines Lebens nach vielen Schwierigkeiten glücklich verbringen konnte.

Weiteres zur Vita und den besonderen Leistungen:

Geboren in Rottenbuch (Bayern) als Fridolin Georg Angerer (Ordensname Joachim), die Mutter war Österreicherin, der Vater Bayer. Gymnasium in Scheyern, dort ab 1954 Noviziat. Nach den Studien in Salzburg, Rom und Würzburg übernahm er ein Forschungsstipendium zur „Melker Reform“, betreute ab 1963 die Pfarre Eibenstein (wo er mit seiner langjährigen „Hausdame“ Elisabeth Schmischke auch begraben liegt) und trat 1969 vom Benediktinerorden zu den Prämonstratensern über, um unter Abt Karasek im Kloster Geras die wirtschaftlichen Belange zu übernehmen. Die Gründung der Kunst- und Hobbykurse eröffneten eine Belebung der ganzen Region, beglückte und förderte auch die dahin Kommenden (aus ganz Europa, vor allem Deutschland) in besonderer Weise. Lange vor 1989 unterhielt Angerer dann als Abt von Geras Beziehungen zu den Klöstern hinter den „Eisernen Vorhang“, in späten Jahren knüpfte er mit der lateinamerikanischen Kirche Kontakte und begründete in Itinga/Brasilien ein Kloster mit. Unter seiner Leitung wurde das gesamte Kloster restauriert, der Schüttkasten und der Meierhof in Gästehäuser umgebaut und schließlich auch das Frauenkloster Pernegg zuerst mit Musikkursen, dann als Fastenzentrum neu belebt.

Von seinen Mitbrüdern wie Mitarbeiter:innen verlangte der charismatische Angerer ein ähnlich großes Pensum an Arbeit und Engagement, was nicht selten zu Konflikten führte, als dann nach 2003 auch ein Missbrauchsfall am Kloster nicht gleich veröffentlicht wurde und ihm trotz zugesagter Hilfe des Landeshauptmanns Erwin Pröll die hohen Restaurierungskosten als Schuldenberg zum Vorwurf gemacht wurden, legte er sein Amt zurück. Von seinem Rückzugsort Eibenstein aus waren schließlich die Kurse zur bildenden Kunst, Musik und Fasten nicht zu halten und so ging leider seine international vielbestaunte Planung nicht weiter auf, das Publikum und die Kurse dünnten aus und die Region ist heute wieder Randgebiet ohne viel Fremdenverkehr.    

 

Zu den Kunstwerken aus seinem Nachlass:

Bei den Kunst- und Hobbykursen im Stift Geras waren Künstler wie Karl Korab, Heinrich Heuer, Peter Sengl (seine Werke sind wie das Werk von Hermann Nitsch, eine Tapisserie von Franka Lechner und Bilder von Arnulf Neuwirth aus Angerers Besitz in den NÖ Landessammlungen), Robert Hammerstiel, Bernhard Hollemann, Fritz Itzinger, Franz Traunfellner und Gerhard Wind. Sie alle schenkten Werke, die in der Pfarre Eibenstein neben Werken von Franz Zülow oder Stefan Praschl, aber auch Josef Mikl und Hans Schaumberger hingen. Auch alte Stiche und Antiquitäten, wissenschaftliche wie Kunst-Bücher sammelten sich neben seinem Klavier und Musiknoten. Angerer liebte die Gegenwartskunst, Berührungsängste hatte er dabei keine, das spiegelt sich bis heute auch auf vielen Fotografien und früher in seinem Wohnhaus an den Wänden wider. Von Bildhauer Thomas O. Munz ließ er ein großes Kreuz, ein Kirchenportal, Figuren, aber auch seine Abtinsignien (Kette und Ring) gießen und hämmern, die Künstlerin Irina Rosc gestaltete den Biker-Engel aus Stahl, der für die Fronleichnams-Prozessionen der Biker in Eibenstein aufgestellt wurde. Angerer liebte schnelles Autofahren und sah sich als Motorrad-Seelsorger.

Im Künstlerheim in Baden konnte Angerer nach einer Gehirnblutung und gelungener Operation durch Vermittlung des früheren Landesrats Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka noch zwei Jahre in Zufriedenheit (und hochintellektueller Diskussion mit Lotte Tobisch) verbringen, nachdem er den Niedergang der Kurse und all seiner Aktivitäten leider noch miterleben musste. Er starb am 24.11. 2019, am gleichen Tag wie sein geliebter Bruder Hans Angerer, dessen Kinder die Kunstwerke zugunsten des Künstlerheims Baden nun mit Manfred Kopriva zum Verkauf anbietet.

Wien, im Juli 2024, Brigitte Borchhardt-Birbaumer

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© Michael Fritthum

© Michael Fritthum

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